Turning the Tide: Streaming Towards an European Uprising in 2020
Strategiepapier für die Konferenz auf dem Klimacamp im Rheinland vom Koordinierungskreis der Turning the Tide – Kampagne
Wir, der Koordinierungskreis der Turning the Tide – Kampagne, sind eine offene Gruppe europäischer Grasswurzel-Aktivist*innen, die sich beim Climate Justice Action (CJA) – Treffen in Amsterdam (Januar 2018) und bei einem Planungstreffen auf dem Klimacamp bei Wien (Juni 2018) zusammenfanden. Wir haben diese Kampagne initiiert mit dem Ziel, die zahlreichen Aktionen der Bewegung für Klimagerechtigkeit, die in Europa derzeit stattfinden, noch stärker als bisher miteinander zu koordinieren und dadurch auf eine gemeinsame Choreographie bis ins Jahr 2020 hinzuarbeiten. Diese soll, angesichts der Untätigkeit politischer Entscheidungsträger*innen in Zeiten der globalen Klimakrise, unsere Protestaktionen europaweit zunehmend eskalieren lassen. Wir haben uns dazu entschieden dieses Papier bei der Strategiekonferenz der Klimabewegung in Deutschland einzureichen, da wir es für essentiell erachten, dass diese europaweite Kampagne von den Bewegungsakteur*innen auf nationaler Ebene als sinnvoll erachtet, unterstützt und mitgetragen wird. Nur so kann sie mit Leben gefüllt werden und Wirkungskraft entfalten. Das Papier ist daher eine Einladung dazu, bei den strategischen Überlegungen für das Jahr 2019 die europäische Ebene und die Turning the Tide – Kampagne stets mitzudenken und an dem Wochenende auch darüber zu reflektieren, welchen Beitrag die Klimabewegung in Deutschland zum Gelingen der Kampagne in 2019 und darüber hinaus leisten kann.
Warum wir kämpfen
Die Klimakrise ist bereits Gegenwart. Täglich kämpfen Menschen um die Rettung ihres zu Hauses und oft auch des eigenen Lebens, Dürren und Überschwemmungen rauben ihnen jede Existenzgrundlage und verschärfen zudem bestehende Konflikte. Die europäischen Staaten, maßgeblich verantwortlich für die Entstehung dieser globalen Krise, tun jedoch bei weitem nicht genug, um das vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, zu erreichen. 2020 ist der global climate tipping point. Nach diesem müssen die globalen Emissionen abnehmen, um das 1,5 °C zu erreichen und noch größere Ungerechtigkeiten und Zerstörungen zu verhindern. Immer noch haben Profitinteressen und der kapitalistische Ausbeutungs- und Verwertungsimperativ jedoch Vorrang vor dem Wohlergehen von Mensch und Natur. Die Verbrennung fossiler Ressourcen wird weiterhin vorangetrieben, von einem grundsätzlichen Umdenken in der Landwirtschaft oder einer Mobilitätswende hin zu nachhaltiger Mobilität für alle ist nachwievor nichts zu sehen. Dies sind einige der Herausforderungen, vor denen wir stehen, die uns wütend machen und uns zu dem Schluss kommen lassen, dass unsere Aktionen weiter eskalieren und auf ein neues Level gehoben werden müssen, um angemessene Reaktionen auf diese Krise zu finden.
Stand der Bewegung und Ausblick
Die Bewegung für Klimagerechtigkeit in Deutschland sowie in anderen Teilen Europas hat über die letzten Jahren ihre Kapazitäten unter Beweis gestellt, zahlreiche kleine und große Aktionen zivilen Ungehorsams zu organisieren und durch begleitende Medienarbeit Aufmerksamkeit für die Klimakrise im öffentlichen Diskurs zu generieren. Daneben steht jedoch auch die Erkenntnis, dass es uns bisher noch nicht gelungen ist, uns weit genug in der Zivilgesellschaft zu verankern, um noch größere Teile der Bevölkerung für diesen Kampf für Klimagerechtigkeit zu gewinnen. Da so das Vorantreiben unserer Aktionen auf weniger Schultern verteilt bleibt, gelingt es uns oft noch nicht, schnell genug auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können und angemessene Antworten auf diese zu finden.
Um unsere Bewegung weiter zu verbreitern, müssen auch in den kommenden Jahren Orte der Zerstörung sichtbar gemacht und in das öffentliche Bewusstsein gerufen werden. Auf diese Weise wollen wir mit der nötigen gesellschaftlichen Unterstützung diese Orte möglichst schnell stilllegen und die sie verursachenden Praktiken und Strukturen überwinden. Es ist uns außerdem ein Anliegen, durch unsere Aktionen darauf hinzuweisen, dass es um Klimagerechtigkeit herzustellen und eine radikale Transformation zu ermöglichen, mit einem Ausstieg aus der fossilen Energie noch nicht getan ist. Es braucht grundsätzlichen Wandel in vielen gesellschaftlichen Bereichen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Wir wollen daher in unserer Praxis bereits die Prinzipien aufgreifen, auf denen die Gesellschaft, für die wir kämpfen, fußen soll: die Sorge füreinander und für die Natur. Dafür bedarf es widerstandsfähiger Netzwerke, in denen wir wachsen und produzieren, teilen und aufeinander achten können
Perspektiven auf eine gemeinsame, europäische Praxis
Um darauf hinzuarbeiten erscheint es uns wichtig, dass unsere Aktionen als ergänzende Elemente einer gemeinsamen langfristigen Strategie verstanden werden. Einem gemeinsamen Kampf für Klimagerechtigkeit in Europa – bestehend aus miteinander verknüpften Kampagnen, deren Umfang, Reichweite und Radikalität sich stetig steigert. Lasst uns unsere verschiedenen lokalen Kämpfe vereinen und voneinander lernen – gegen Tagebau oder Pipelines, gegen die Plastikindustrie oder die industrielle Landwirtschaft, gegen Waffenhandel, Banken, Grenzregimes. Wir bekämpfen keine Einzelprobleme – zusammen bekämpfen wir die vielen Facetten von Naturzerstörung, Diskriminierung und Ungerechtigkeit, die durch das kapitalistische System verursacht werden. Dieses gemeinsame Ziel vor Augen, braucht es einer Struktur, die die Kapazitäten und Fähigkeiten besitzt, die verschiedenen Kämpfe europaweit miteinander zu verbinden und durch eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit sichtbar zu machen. Mit dem aktuellen Koordinierungskreis der Turning the Tide – Kampagne wurde dafür ein Grundstein gelegt – es bedarf jedoch weiterer Unterstützung, um das geplante Vorhaben zu realisieren.
Streaming Towards an European Uprising in 2020
Bei Treffen in Amsterdam und Wien verständigten sich die bislang involvierten Graswurzelgruppen auf den folgenden Plan zu einer langfristigen Eskalation der Aktionen für Klimagerechtigkeit und Systemwandel:
Jetzt: Lasst uns loslegen
In den lokalen Gruppen und Bündnissen beginnt die Planung von lokalen Kämpfen im kommenden Jahr. Mit möglicherweise kleinen Anfängen aber ehrgeizigen Absichten werden Strategien entwickelt, wie diese Kämpfe langfristig eskalieren können. Langfristige lokale Strategien erleichtern zudem die laufenden Bemühungen, unsere Kämpfe zu koordinieren – ob durch Skill-Sharing, dezentrale Mobilisierung oder Massenaktionen. Auf europäischer Ebene entstehen Vorstellungen davon, wie unsere Aktionen gemeinsam wachsen und sich neue Allianzen bilden können, die mit der Zeit stärker und radikaler werden. Im Novemeber 2018 wird auf einem Planungstreffen der Turning the Tide – Prozesses in Tschechien diskutiert, welche Orte und Themen sich für koordinierten Massenaktionen im Jahr 2020 anbieten und wie die Kampagne 2019 öffentlichkeitswirksam losgetreten wird.
2019: In Schwung kommen
Nach einem gemeinsamen Kampagnenstart Anfang 2019, werden uns im Laufe des Jahres die zahlreichen kleinen und großen Aktionen lokaler Gruppen nicht nur inspirieren und unsere Fähigkeiten schulen, Menschenmengen zu mobilisieren, sie werden gleichzeitig als ein Aufruf für einen gemeinsamen europäischen Aufstand in 2020 dienen. Wir verweben die Fäden unser Kämpfe zu einem großen Bild, das zeigt, wie wir zusammen leben wolle – im Jahr 2020 und darüber hinaus. Auf Konferenzen, Camps und Treffen entstehen Visionen und konkrete Praktiken für eine lebenswerte Zukunft jenseits von Profit und Ausbeutung. Lokale Gruppen sind durch die europaweite Kampagne inspiriert, ihre dezentralen Aktionen in einen größeren Kontext einzubetten und dadurch zum Gelingen einer fortschreitenden Eskalation bis 2020 beizutragen. Neben der zahlreichen dezentralen Aktionen, nimmt im Laufe des Jahres auch die Vorbereitung koordinierter Massenaktionen für 2020 an Fahrt auf. Die Perspektive darauf fördert und stärkt neue Allianzen. Die Erwartung und Sehnsucht, dass etwas Großes passieren wird, breitet sich aus …..
2020: Uprising – Aufstand
2020 wird Europa eine koordinierte Welle von Massenaktionen erleben, die durch zahlreiche kleinere Aktionen ergänzt werden: Menschen blockieren Pipelines, Häfen, Flughäfen, Kohleabbaugebiete, Industrielle Landwirtschaft, Banken, Waffenfabriken und Grenzen – sie stehen gemeinsam auf für Klimagerechtigkeit und Systemwandel. Die Aktionen, organisiert durch eine Vielzahl von Organisationen und Bewegungen, gehören sichtbar zu einer gemeinsamen Kampagne und vereinen sich zu einem massiven, gewaltfreien, doch um so entschlosseneren Aufstand gegen ein ökonomisches System, das viele Verlierer*innen hat und die natürlichen Grundlagen zerstört, von denen das Leben auf der Erde abhängig ist.
Um die Aktionen herum werden sich die Menschen in Gemeindesälen versammeln und sich die Plätze zurückholen, um darüber zu diskutieren, wie Klimagerechtigkeit und Systemwandel in der Praxis aussehen können. Die 2020 Kampagne ist eine Einladung, eine langfristige Perspektive zu entwickeln und auf unsere Gemeinsamkeiten zu setzen. Es ist ein offener Prozess, und wir sind gespannt darauf, wie er sich entwickeln wird. Es ist an uns, den Systemwandel zu organisieren!